Im Februar hatte ich das Glück eine Woche in Kathmandu verbringen zu können und dort einerseits das Kinderheim Dickyi Tsering Children’s Home und andererseits Khartok und ihre Familie, sowie Bihu und ihre Mutter zu besuchen.
Ich berichte nachfolgend über alle 3 Begegnungen.
1) Das Dickyi Tsering Children’s Home (DTCH):
Mein Freund Hendrik und ich hatten die Möglichkeit, die Mitarbeiter und die Kinder an zwei Tagen zu besuchen. Den ersten Tag holte uns der Geshe Sonam Wangchen (in diesem Text durchweg als Geshe bezeichnet) zusammen mit seiner Mitarbeiterin Nyima Dolkar ab und zeigte uns die Räumlichkeiten seiner Organisation “Hope and Challenge” in Boudha.
“Hope and Challenge” wurde 2014 vom Geshe und einem weiteren befreundeten Geshe gegründet und ist unterteilt in insgesamt 5 verschiedene Hilfsmissionen in Kathmandu. Hierzu zählen
- ein Rehab Center für Drogenabhängige
- ein Programm, was Stipendien für sehr arme Kinder vergibt, womit ihnen der Schulbesuch ermöglicht wird. Die Stipendien werden über Spenden finanziert. Bihu ist Teil dieses Programms.
- eine Präventions-/ Aufklärungskampagne über Drogenabhängigkeit in diversen Schulen
- eine tägliche Suppenküche/ Tafel für hilfsbedürftige Menschen, wobei hier täglich 400 Essen ausgeteilt werden
- Notfallhilfen bei Naturkatastrophen, wie dem Erdbeben 2015 oder der Überschwemmung 2017
- und seit 2017 das Dickyi Tsering Children’s Home
Der Geshe betreut alle Projekte mit. Nyima Dolkar, welche viele von euch kennen, arbeitet eigentlich in anderen Bereichen, hilft aber einmal die Woche im Bereich des DTCH mit und besucht es auch regelmäßig. Hauptverantwortliche für das Projekt DTCH ist die Mitarbeiterin Smita, welche die Spendengelder verzeichnet und die Gelder aufteilt. Sie nimmt auch unsere Pakete entgehen und sortiert die Inhalte. Smita ist ebenfalls regelmäßig im Kinderheim zugegen.
Smita und die anderen Mitarbeiter arbeiteten lange ehrenamtlich bei “Hope and Challenge”. Seit einiger Zeit erhalten sie über Spendengehälter auch eine geringe finanzielle Unterstützung, da die Arbeit sehr zeit- und kraftaufwendig geworden ist. Die Beträge werden allerdings nicht von unseren Spenden bezahlt, sondern durch allgemeine Spenden von “Hope and Challenge”.
Im Kinderheim selbst arbeiten zwei Frauen und bleiben auch über Nacht bei den Kindern. Eine der beiden Frauen ist Hausmutter Ama-la („Ama“ bedeutet im Tibetischen Mutter und „-la“ ist als Anhang ist Zeichen einer Wertschätzung), welche auch für die Kinder kocht und eine jüngere Frau, welche als Erzieherin ebenfalls die Kinder betreut. Da beide kaum Englisch sprechen, war die Kommunikation schwierig. Die Gehälter dieser beiden Frauen werden von unseren Spenden für das Kinderheim bezahlt, wobei die Frauen im Schnitt 10.000 NPR pro Monat verdienen (ca. 80 Euro), jedoch dauerhaft im Heim leben und die Kinder 24 Stunden betreuen.
Der finanzielle Bedarf des Kinderheims wird monatlich von Smita fixiert und mittels einer Kommission, welche aus verschiedenen Vorstandsmitglieder (u.a. dem Geshe), bestätigt und dokumentiert. Erst wenn alle Vorstandsmitglieder unterzeichnet haben, kann das Geld vom Konto abgeholt werden.
Das Kinderheim ist weit außerhalb von Kathmandu und nur mittels einer Taxifahrt (ca. 35 min) über eine holprige Straße zu erreichen. Einen Straßennamen oder Hausnummer gibt es nicht, weshalb die Patenpost an die Kinder nicht direkt ins Kinderheim, sondern in das Office von “Hope and Challenge” gesendet werden muss.
Die Schule der Kinder ist in unmittelbarer Nachbarschaft und die ländliche Region sorgt auch für eine bessere Luftbeschaffenheit, sowie Platz zum Spielen. Außerdem kommen die Kinder nicht mit Drogen in Berührung.
Das DTCH besteht aus einem großen Haus mit 3 Etagen, wobei in der unteren Etage die Schlafräume der Jungen, in der 1. Etage die der Mädchen sind. Zudem sind dort auch die Küche und der Platz, wo die Kinder essen und spielen. Ganz oben ist eine Dachterrasse.
Die Kinder waren bis auf Pema, welche aufgrund von den Festlichkeiten bei ihrem Onkel war, alle da und begrüßten meinen Freund und mich rührend.
Wir haben dann gemeinsam Süßigkeiten gegessen und uns einander vorgestellt. Die Kinder sollen in ihrer Schule weitestgehend nur Englisch sprechen, weshalb einige schon etwas auf Englisch sagen können.
Die Ausnahme bildet Ashita, mein Patenkind, welche bereits in ihrem Heimatland Indien zur Schule gegangen ist und neben Hindi, Tibetisch, Nepalesisch auch fließend Englisch spricht und den anderen Kinder hilft und sie unterstützt. Ashita war insgesamt eine große Hilfe, da sie mir vieles über das Kinderheim, die Abläufe und die Kinder erzählen konnte. Da sie ebenfalls Lesen und Schreiben kann, kann sie auch Briefe von den Paten für die anderen Kinder übersetzen.
Die Kinder sind allesamt sehr friedlich, schüchtern und freundlich zueinander.
Insgesamt wirkten die Kinder alle gesund, gut gepflegt und angekleidet. Die Räumlichkeiten, die mittels Putzplan von den Kindern selbst gesäubert werden, waren sauber und aufgeräumt.
Der Geshe und seine Mitarbeiter berichteten jedoch über die großen Schwierigkeiten, welche die Kinder insbesondere am Anfang haben, wenn sie meist direkt von der Straße in das Heim kommen. Oft hatten sie keine liebevolle Bezugsperson, haben weder kein Vertrauen, liebevolle Nähe noch Fürsorge kennen gelernt. Durch den fehlenden familiären Schutz hatten sie keine Möglichkeiten, ein normales zwischenmenschliches Verhalten und Umgangsformen zu erlernen. Dies sei auch die größte Aufgabe der Mitarbeiter. Es gehe gar nicht darum, aus den Kindern Spitzenschüler zu machen, sondern sie erst einmal zu resozialisieren und sie wieder Kind sein zu lassen, sowie ihnen einen geregelten Alltag mit festen Bezugspersonen zu ermöglichen. Viele der Kinder sind ehemalige Straßenkinder und kennen zum Teil weder ihre Mutter noch ihren Vater. Somit kennt auch keiner ihren Geburtstag. Zudem haben fast alle keine Schulbildung genossen und gehen dank der Spendengelder zum ersten Mal in eine Schule.
Der Geshe kennt die meisten Kinder bereits von den Tafeln und Suppenküchen. Er bekommt so viele Anfragen von armen Familien, dass er gar nicht auf alle reagieren kann und sucht die Kinder nach dem größten Leidensdruck aus. Aktuell leben 23 Kinder im Heim, es sollen aber bald noch mehr Kinder aufgenommen werden.
Die Briefe, welche mir manche von euch mitgegeben haben, habe ich überreicht und die Kinder haben sich sehr gefreut.
Am letzten Tag unseres Aufenthaltes hatten wir das Glück, den ersten Tage des tibetischen Neujahr Losar mit den Kindern zu verbringen. Wir besuchten zuerst ein buddhistisches Kloster, wobei die Kinder von dem dortigen Lama gesegnet wurden. Anschließend spazierten wir alle gemeinsam zu dem Stupa in Boudha und trafen dort auch auf die kleine Bihu, welches sich dem Rundgang um den Stupa anschloss.
Danach wurde gemeinsam in einem Restaurant gefrühstückt und gespielt. Das interessanteste Spielzeug war hierbei die Spiegelreflexkamera meines Freundes, wobei sich gerade die älteren Kinder sehr geschickt anstellten und selbst gute Fotos schossen.
Zum Schluss fuhren wir gemeinsam zurück in das Kinderheim, wo erneut gesungen und getanzt wurde und Mittag gegessen wurde.
Insgesamt war ich tief beeindruckt von der Arbeit der Mitarbeiter. Die Kinder sind alle unglaublich liebenswert und fröhlich und wir verlebten dort zwei wunderbare Tage mit ihnen.
Allerdings berichtete der Geshe auch von seinen finanziellen Sorgen. Er habe große Angst, dass er irgendwann nicht mehr die finanziellen Mittel habe, um das DTCH weiter aufrecht halten zu können. Seine größte Angst ist dabei, was aus dann den Kindern werden soll. Die meisten von ihnen sind noch sehr klein und haben zum ersten Mal das Gefühl von Kind sein und Geborgenheit, sowie von einem normalen Alltag erlebt. Für sie gibt es ohne das DTCH keine Zukunft und keinen Ort an dem sie kindgerecht leben und eine Schulbildung genießen können.
Umso wichtiger ist es, dass wir uns weiter für das Kinderheim engagieren. Eure Patenschaften sind eine große Hilfe, die regelmäßig anfallenden Kosten zu decken.
Daher von allen Mitarbeitern, den Kindern und natürlich von Tibet Tshoesem und mir ein großes Dankeschön an alle Paten und Spender.
2) Khartok und ihre Familie
An einem weiteren Tag hatten wir die Möglichkeit mit Nyima Bhutis (ebenfalls eine Helferin vor Ort in Kathmandu) Hilfe Khartok und ihre beiden Töchter in ihrem neuen Zuhause zu besuchen. Ihre ältere Tochter Reena (ebenfalls mein Patenkind) war zu Besuch.
Khartok ist die Schwester von dem Mönch Nyima, welcher einer unser wichtigsten Mitarbeiter vor Ort in Dharamsala ist. Im Sommer 2016 bat er uns um Hilfe für seine Schwester, die in Kathmandu unter unwürdigsten Bedingungen in einer winzigen, nassen Wohnung mit ihrer kleinen Tochter wohnte. Khartok selbst ist seit vielen Jahren gehbehindert und musste aufgrund von Darmgeschwüren zweimal notfallmäßig operiert werden. Aufgrund von Spenden und Patenschaften hat sie dies gut überstanden und konnte nun im Mai 2017 endlich in eine menschenwürdige Wohnung umziehen. Ihre Tochter kann aufgrund von einer Patenschaft auch endlich zur Schule gehen.
Auch hier war das Treffen sehr berührend. Die Zweizimmerwohnung, welche Khartok mit ihrer jüngeren Tochter Kareena bewohnt, ist schön eingerichtet und geräumig. Die Schule von Kareena ist in unmittelbarer Nähe und das Viertel, indem die Wohnung liegt, wirkt aufgeräumt und sauber.
Khartok erzählte, dass es ihr dank der neuen Wohnung deutlich besser ginge und sie sehr glücklich sei. Sie habe dort keine Angst mehr, allein in der Wohnung zu sein. Kareena habe in der Schule deutliche Fortschritte gemacht und sei inzwischen Klassensprecherin.
Reena konnte mit unserer Hilfe in dem Dorf in Chitwan, wo sie mit ihrem Mann und ihrem Sohn Rujal lebt, ein kleines Lebensmittelgeschäft eröffnen, wodurch sie ein eigenes Einkommen hat und ihre Familie finaziell unterstützen kann.
Es geht allen dreien sehr gut und ich soll den Paten von Khartok ein riesiges Dankeschön ausrichten.
Sie betet jeden Tag für ihre Paten und ist sehr dankbar für die deutliche Verbesserung ihres Alltags.
3) Bihu
Manche von euch haben ja noch das Drama um die kleine Bihu mitbekommen, welche eigentlich auch in das Kinderheim einziehen sollte, sich ihre alkoholkranke Mutter jedoch geweigert hat.
Auch Bihu ist mein Patenkind und durch die finanzielle Unterstützung konnte ihre Mutter und sie inzwischen von der Straße weg, in eine kleine Wohnung in Boudha ziehen. Bihu geht von dort aus vormittags in eine staatliche Schule und die Mutter bettelt an dem Stupa.
Bihu und ihre Mutter besuchten wir einmal bei ihnen zuhause und dann täglich bei dem Stupa. So baute sich trotz Sprachbarriere eine liebevolle Beziehung auf und die kleine Bihu ist uns sehr ans Herz gewachsen. Aber auch die Mutter habe ich sehr liebgewonnen. Sie wirkte zu keiner Zeit alkoholisiert und auch der Geshe berichtete über eine deutliche Besserung des Alkoholkonsums. Bihu und sie haben ein sehr inniges Verhältnis und die Mutter schien durchaus sorgend und bemüht.
Leider muss sich aufgrund der fehlenden Nachmittagsbetreuung, da die Mutter nicht zuhause ist, sondern bettelt, Bihu nachmittags zu ihrer Mutter gesellen und mitbetteln. Dies ist ein Umstand, der uns sehr traurig gestimmt hat, da wir Bihu ebenfalls ein kindgerechtes Leben wünschen würden.
Ich kann allerdings die Mutter sehr gut verstehen, dass sie ihre Tochter nicht alleine in der kleinen Wohnung zurücklassen möchte. Leider ist Kathmandu weiterhin kein sichererer Ort für kleine Mädchen.
Auch hier hatte ich lange Gespräche mit dem Geshe und wir werden nun einerseits erneut den Versuch unternehmen, Bihus Mutter zu überreden, dass Bihu ins DTHC zieht und dort leben und zur Schule gehen kann. Sollte sie zustimmen, wird ihr natürlich die Wohnung in Boudha weiter finanziert und wir würden ihr auch regelmäßige Besuche im Kinderheim ermöglichen.
Sollte die Mutter dies weiterhin ablehnen, wollen wir dafür sorgen, dass Bihu und ihre Mutter in eine andere Wohnung ziehen, damit wenigstens die Umstände sauberer und gepflegter sind.
Da mein Freund sich freundlicherweise als zweiter Pate für Bihu gemeldet hat, ist keine weitere Patenschaft für sie und ihre Mutter notwendig.
Insgesamt ist Kathmandu eine Stadt mit großer Armut. Es gibt nur in der “Innenstadt” asphaltiere Straßen, überall liegt Müll herum, die Luftverschmutzung ist bedrückend und die Anzahl der bettelnden Menschen ebenfalls. Dennoch strotzt die Stadt vor Energie und viele der Menschen dort wirken lebensfroh und sind unglaublich freundlich.
Der tägliche abendliche Rundgang der Tibeter und buddhistischen Nepalesen um die Stupa in Boudha war für mich ein sehr bewegendes Erlebnis.
Wir möchte uns noch einmal für die finanzielle Unterstützung der Paten und Spender bedanken. Ich habe in den Tagen dort gesehen, was wir gemeinsam schon alles erreicht haben und es hat mich sehr glücklich gemacht.
Mein Freund und ich haben euch viele Fotos mitgebracht. Aufgrund der Qualität und dadurch verbunden Größe der Fotos und auch, um die Privatsphäre der abgebildeten Personen zu schützen, werden wir die Originalfotos erst einmal nur an die Paten versenden. Alle Fotos werden bei Flickr veröffentlicht und sind unter u.g. Link einsehbar. Allerdings sind sie dort nicht in der originalen Qualität verfügbar und können auch nicht heruntergeladen werden. Solltet ihr gerne Originalfotos haben wollen, könnt ihr mir gerne unter info@tibet-tshoesem.de schreiben und ich werde euch diese zukommen lassen.
Die Fotos werde ich den Kindern als Fotoalbum zukommen lassen. Zudem habe ich ihnen eine kleine Kamera gekauft, damit sie in Zukunft auch selbst Fotos schießen können, denn das hat ihnen unglaublich Spaß gemacht.
Link für die Fotos: https://flic.kr/s/aHskuer4v6
Manche sehen dort leider Werbung zwischendurch. Das lässt sich leider nicht abstellen.
In diesem Sinne erneut herzlichen Dank und alles Liebe, Eure Kati